„Family Tree“ ist ein lemire-typischer Horror-Familiendrama-Hybrid, der ganz ohne Helden auskommt. Im ersten Band haben wir das postapokalyptische Setting und die wesentlichen Figuren kennengelernt: Den Menschen wächst die existentielle Endzeitnot über den Kopf und die Rinde über die Haut. Die junge Megan wird mehr und mehr zu einem Baum, schlägt Äste aus und Wurzeln in den Boden: „Die Dinge verändern sich eben.“ Ohne viel Phantasie lässt sich diese Verwandlung als Bild für den Prozess der Pubertät lesen – Stephen Kings Carrie lässt grüßen.
Im Gegensatz zu Zeps Peter-Wohlleben-Szenario „The End“ und Warren Ellis‘ „Trees“ setzt Jeff Lemire keinen ökologischen Akzent, sondern verknüpft das Horror-Element der Hybridisierung mit der Stammbaum-Metapher, so dass sich am Ende alles um die Familie dreht. Der zweite Band fordert durch die Sprünge zwischen den Handlungssträngen und Zeitebenen viel Aufmerksamkeit ein. Wir folgen Megan im Laufe ihrer Verbaumung, ihrem Großvater Judd, der von der Geheimorganisation der Arboristen gefangen genommen wurde, und Megans Bruder Josh.
Die kantigen Zeichnungen sind weiterhin wunderschön anzusehen, die Handlung aber bewegt sich aktuell nur zögernd. Lemire balanciert auf einem dünnen Ast.